Bekennt euch zu ihm vor allen Völkern, ihr Kinder Israels; denn er selbst hat uns unter die Völker zerstreut. Tob 13, 3

Gott nicht in unsere Denkraster einpassen

Lesungen vom 3.Adventssonntag: Jes 35,1-6b.10; Ps 146,6-7.8-9a.9b-10; Jak 5,7-10; Mt 11,2-11

„Das Evangelium dieses dritten Adventssonntags erzählt uns von Johannes dem Täufer, der seine Jünger, während er im Gefängnis sitzt, zu Jesus schickt, um ihn zu fragen: »Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?« (Mt 11,4). Johannes wird, als er von den Taten Jesu erzählen hört, von Zweifeln geplagt, ob er wirklich der Messias sei oder nicht. …

Das bedeutet aber, dass auch der größte Gläubige durch den Tunnel des Zweifels geht. Und das ist nichts Schlechtes; vielmehr ist es manchmal für das geistliche Wachstum unerlässlich: es hilft uns zu verstehen, dass Gott immer größer ist, als wir ihn uns vorstellen; dass die Werke, die er vollbringt, im Vergleich zu unseren Berechnungen überraschend sind; dass sein Handeln immer anders ist und unsere Bedürfnisse und Erwartungen übertrifft; und deshalb dürfen wir nie aufhören, ihn zu suchen und uns zu seinem wahren Antlitz zu bekehren. Ein großer Theologe sagte, dass Gott »in Etappen wiederentdeckt werden muss... manchmal in dem Glauben, dass wir ihn verlieren« (H. de Lubac, Über die Wege Gottes, Mailand 2008, 25). Genau das tut der Täufer: im Zweifel sucht er ihn von Neuem, befragt ihn, »diskutiert« mit ihm und findet ihn schließlich wieder. Johannes, der von Jesus als der Größte unter den von Frauen Geborenen bezeichnet wird (vgl. Mt 11,11), lehrt uns, kurz gesagt, Gott nicht in unsere Denkraster einzupassen. Das ist immer die Gefahr, die Versuchung: uns einen Gott nach unseren Maßstäben zu machen, einen Gott, um ihn zu benutzen. Und Gott ist etwas ganz anderes.“

PAPST FRANZISKUS aus dem ANGELUS vom Sonntag, 11. Dezember 2022